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Im Süden des Landkreises Gotha wird die größte Investition in der
Geschichte Thüringens geplant. Über eine Milliarde Euro soll der
Bau des Wasserspeicherkraftwerks Schmalwasser bei Tambach-
Dietharz kosten, hunderte von Arbeitsplätzen über Jahre sichern
und jahrzehntelang Wertschöpfung in der Region schaffen. Der
Investor ist kein Konzern, sondern ein Netzwerk unabhängiger
Stadtwerke, das die Energiewende umsetzen will.
Das Prinzip ist einfach: Wasser aus ei-
nem Unterbecken wird im Falle eines
geringen Stromverbrauchs bei gleich-
zeitig hoher Stromproduktion in ein hö-
her gelegenes Oberbecken gepumpt.
Bei steigender Stromnachfrage kann bei
Bedarf das Wasser aus dem Oberbecken
durch einen unterirdischen Stollen wie-
der abgelassen werden. Dieses treibt
Turbinen zur Stromproduktion an. Wäh-
rend Wasserspeicherkraftwerke früher
dazu dienten, Strom aus sogenannten
Grundlastkraftwerken, insbesondere
Braunkohle und Atomkraftwerken,
nachts zu speichern, werden sie in Zu-
kunft neben der Aufnahme überschüs-
sigen Grünstroms insbesondere auch
die Netzstabilität sichern. Denn wenn
das Stromnetz nicht ausgeregelt ist,
kann das Licht flackern, aber auch der
Computer abstürzen.
Erneuerbare Energien
brauchen Stromspeicher
Vor dem Hintergrund eigener Investitio-
nen in erneuerbare Energien begann
das Aachener Stadtwerkenetzwerk Tria-
nel sich 2009 mit der Speicherfrage zu
beschäftigen. In ganz Deutschland
suchte das Unternehmen nach geeigne-
ten Standorten. Aus 3.000 aus geogra-
phischen Datenbanken ausgesuchten
Standorten wurden in zweijähriger Su-
che 24, daraus wiederum drei Standorte
herausgefiltert, an denen ein solches
Kraftwerk denkbar ist: Neben dem Was-
serspeicherkraftwerk Rur, das an der
Rurtalsperre im Kreis Aachen entstehen
könnte, sowie dem im ostwestfälischen
Kreis Höxter gelegene Kraftwerk Nethe,
das eine Leistung von 390 Megawatt
(
MW) haben soll, plant das Aachener
Unternehmen das Wasserspeicherkraft-
werk Schmalwasser im Landkreis Gotha.
Als einziges europäisches Energie-
unternehmen entwickelt Trianel damit
gleichzeitig drei Speicherkraftwerks-
tandorte. Die Gesamtleistung der Kraft-
werke beträgt über 2.000 Megawatt,
das Investitionsvolumen liegt bei über
zwei Milliarden Euro. „Für die Stadtwer-
ke ist die Energiewende kein Konzept,
das erst vor zwölf Monaten in Angriff
genommen wurde, sondern im gemein-
wohlorientierten Selbstverständnis ver-
ankerte Praxis, die die Stadtwerke seit
Jahren vorantreiben“, so Projektleiter
Markus Hakes.
Parallel zu den Untersuchungen der
Stadtwerke hatte auch das Thüringer
Wirtschaftsministerium 2011 ein Pump-
speicher-Kataster in Auftrag gegeben.
Dieses weist zehn mögliche Standorte
in Thüringen aus, unter anderem den
von Trianel favorisierten. „Trianel hat
den Standort im Landkreis Gotha als ei-
nen der besten Speicherstandorte
Deutschlands identifiziert“, betont Ha-
kes im Hinblick auf das Potenzial-Ka-
taster. Neben den geographisch-techni-
schen Voraussetzungen hat Trianel
dabei besonders die Frage untersucht,
an welchen Standorten möglichst ge-
ringe Auswirkungen für Bürger und Um-
welt zu erwarten sind.
Die Planskizze zum Mammutprojekt im
Thüringer Wald ist mit der Thüringer
Fernwasserversorgung (TFW) und den
Verantwortlichen vor Ort entwickelt
worden. Im kommenden Jahrzehnt
könnte mit einer Leistung von über
1.000
Megawatt dort eines der größten
Wasserspeicherkraftwerke Deutsch-
lands entstehen. Der Standort an der
Schmalwasser-Talsperre hat dabei ei-
nen entscheidenden Vorteil: Die Tal-
sperre als Unterbecken ist bereits vor-
handen, lediglich ein höher gelegenes
Oberbecken müsste noch errichtet wer-
den. Das minimiert die Eingriffe in die
Natur erheblich, da nur ein Becken er-
richtet werden muss. Die Talsperre wird
aufgrund des sinkenden Wasserver-
brauchs seit 2005 nicht mehr zur Trink-
wasserversorgung genutzt, die Wasser-
aufbereitungsanlage in Tambach-Diet-
harz ist demontiert. Die Wasserversor-
gung Mittelthüringens wird schon jetzt
durch die benachbarte Ohra-Talsperre
sichergestellt.
Stadträte stehen
hinter dem Projekt
Die aktuellen Pläne sehen die Errich-
tung eines Oberbeckens vor, das bis zu
zehn Millionen Kubikmeter Wasser
fasst. Die Speicherleistung reicht aus,
um die Thüringer Haushalte sechs Stun-
den lang mit Strom zu versorgen. Beide
Foto: Seggy (strassenblick)