32
Foto: TMLFUN
Den ländlichen Regionen wird künftig bei der Energieversorgung eine zentrale Rolle zukommen. In den Kommunen und Landkreisen
entstehen neue Wirtschaftszweige und Arbeitsplätze. Ganze Gemeinden oder kommunale Zusammenschlüsse werden energieautark.
Daher wird das Thüringer Umweltministerium künftig im Klimaschutz noch stärker mit den Städten und Gemeinden zusammenarbei-
ten. Gleichzeitig engagiert sich die Landesregierung bei der Suche nach alternativen Energiepflanzen. Dieser Mix soll es vor allem im
ländlichen Raum ermöglichen, die Energiewende unter Berücksichtigung des Klimaschutzes auch dafür zu nutzen, regionale Kreisläufe
zu unterstützen und für Wachstum zu sorgen. Im Interview erläutert Thüringens Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und
Naturschutz, Jürgen Reinholz, dass er dabei vor allem auf Biomasse setzt.
Biomasse ist ein Multitalent“
Herr Reinholz, für Sie ist Energie aus Biomasse die wichtigste er-
neuerbare Energie in Thüringen. Warum werben Sie ausgerech-
net für den Ausbau der Bioenergie?
Thüringen ist nun einmal stark ländlich und landwirtschaftlich ge-
prägt, da sollte es seine bereits bestehenden Potenziale auch nut-
zen. Gegenwärtig erzeugt Biomasse knapp 90 Prozent der regenera-
tiv gewonnenen Wärme in Thüringen, bei der Stromproduktion liegt
Biomasse fast gleichauf mit Windkraft. Sicher werden Wind- und
Sonnenenergie in den kommenden Jahren ihren Anteil steigern. Auch
steigern müssen, damit die Energiewende glückt. Doch die Erzeu-
gung von Bioenergie lässt sich ebenfalls noch ausdehnen. Unsere
Landesanstalt für Landwirtschaft schätzt, dass sich 25 Prozent unser-
er Ackerfläche und zehn Prozent des Grünlandes für energetische
Zwecke nutzen ließen, ohne die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu
gefährden.“
Wo liegen die Vorteile von Bioenergie?
Sie ist ein Multitalent, denn Biomasse kann zu Strom, Wärme und
Kraftstoff werden. Anders als Wind- und Sonnenenergie kann Bio-
energie kontinuierlich erzeugt werden, ist damit grundlastfähig. Sie
kann Schwankungen der Versorgung ausgleichen, weil sie sich spei-
chern lässt. Bioenergie wird in der Regel dezentral in vergleichs-
weise kleinen Anlagen produziert. Wer sie nutzen kann, wird unab-
hängig von großen Energieversorgern.“
Also profitieren auch die Verbraucher und die Gemeinden?
Genau. Wir haben in Thüringen ja bereits eine Reihe vielver-
sprechender Projekte zur dezentralen Erzeugung und Versorgung mit
Bioenergie. Nehmen wir zum Beispiel das Bioenergiedorf Schlöben,
das seinen Strom- und Wärmebedarf vollständig aus örtlich erzeug-
ter Biomasse decken will. In Breitungen wurde ein Biomasse-Heiz-
werk an das bestehende Wärmenetz angeschlossen und versorgt
jetzt eine Kita, eine Sporthalle und mehr als 200 Wohnungen. Es
gründen sich Energie-Genossenschaften, in denen die Bürger die
Versorgung selbst in die Hand nehmen. Die meisten Bioenergie-
Anlagen Thüringens gehören allerdings zu landwirtschaftlichen
Betrieben. Von den rund 220 Biogasanlagen stehen mehr als 90
Prozent in Agrarunternehmen, und das ist richtig so.“
Warum?
Diese Anlagen werden im Schnitt zu 70 Prozent mit Wirtschaftsdün-
gern betrieben. Wenn Gülle zu Biogas vergoren wird, werden da-
durch erhebliche Treibhausgas-Emissionen vermieden. Die Gärrück-
stände kommen anschließen als Dünger auf die Felder und sind
besser als die Gülle zuvor. Die Betriebe können ihre Nährstoffkreis-
läufe optimal schließen. Nicht zuletzt hat sich die Energieerzeugung
zu einem wichtigen Standbein der Agrarbetriebe entwickelt: die re-
gionale Wertschöpfung wird erhöht und Arbeitsplätze werden gesi-
chert.“